Vorwort
Herzlichen Dank an Margarete Nuber für ihren Bericht zu hybriden Frühjahrstagung des spm am
16. Juni 2021! Was kann man z.B. damit anfangen?
Den Marker nehmen und einige wenige Sätze anstreichen, oder eigene Ideen aufschreiben, die für mich und unsere Organisation das Potential für eine Kompetenz- und Resultatverbesserung versprechen,
z.B.: Verwenden wir eine optimale Mischung von schriftlichen Rücksprachen und Betätigungen gegenüber unseren verschiedenen internen und externen Bezugspersonen?
Dann diese wenigen Punkte mit Fachkollegen und Fachkolleginnen diskutieren und die Verbesserungen realisieren – vor der nächsten Frühjahrstagung des spm, denn dort wird es wieder neues «Futter» geben.
Hans Knöpfel
spm Frühjahrstagung 2021: Projektmanagement vernetzt – zwischen gestern und morgen
Zum allerersten Mal wurde die spm Frühjahrstagung hybrid abgehalten, sowohl Teilnehmende als auch Vortragende waren entweder online zugeschaltet oder live im Careum Zürich. Wer an der Veranstaltung teilgenommen hatte, kann auch jetzt noch alle Vorträge in der Mediathek abrufen – wer nicht dabei war oder die Veranstaltung noch einmal lesend Revue passieren lassen will, bekommt im Folgenden eine Zusammenfassung der Tagung. Und noch eine Neuerung gab es bei dieser Frühjahrstagung: die Veranstaltung wurde vom Denkpinsel Michael Meier auf einem grossen und grossartigen Bild visualisiert und zusammengefasst.
Souverän, sympathisch und sicher führte Stefan Häseli als Moderator durch den Tag und liess online und vor Ort alle gleichermassen zu Wort kommen.
Den Auftakt machte der Managementforscher und Buchautor Prof. em. Dr. oec. Hans A. Wüthrich, der mit dem Fokus auf das Nicht-Wissen als Realität Anregungen gab, wie wir Projekte führen können, wenn das Drehbuch fehlt. In der Pandemie hatten wir gerade erfahren, wie sehr Nicht-Wissen die Realität darstellt, aber ganz generell empfahl Herr Wüthrich, demütiger zu sein und zu bedenken, dass wir oft sogar nicht einmal wissen, dass wir nicht wissen. Projekte mit einem hohen Anteil an Kulturwandel, wie es beispielsweise für digitale Transformationsprojekte üblich ist, können nicht nach einem strikten Projektplan ablaufen. Im Komplexen oder Unbekannten wird die sonst nützliche Erfahrung zur Stolperfalle und das Streben nach Perfektion kann in Dogmatismus ausarten. Dann sollten wir viel mehr dem Kontraintuitiven und dem Zufall Raum geben, damit wir zu pragmatischen Lösungen kommen. Dieses neue Drehbuch ist von explorativem Vertrauen geprägt und ermutigt uns, Projekte im Unbekannten als Labor mit Experimenten zu begreifen. Kultur lässt sich nie direkt ändern, nur durch andere Rahmensetzung kann neues, von der bisherigen Erfahrung abweichendes Handeln etabliert werden – aber es kann auch scheitern. Dann lernen wir wiederum aus dieser Erfahrung und tasten uns explorativ weiter voran zur nächsten pragmatischen Lösung.
Einige Beispiele aus der Praxis, direkt aus dem politischen Umfeld der Stadt Zürich, berichtete Martina Glaser, die Co-Leiterin Projektstab Stadtrat Zürich. Ob im Projekt ‘Marina Tiefenbrunnen’, ‘Gestaltung untere Höschgasse’ oder ‘Museumslinie 4’, stets war der Mensch der wesentliche Erfolgsfaktor: von der Teamzusammensetzung – Personen mit verschiedenen Profilen aus diversen Departementen und Bereichen – über die gute Kommunikation für und mit allen Anspruchgsgruppen bis zur sachlichen, taktischen und strategischen Vorbereitung der Entscheidungsfindung, die ja gerade im politischen Umfeld zwingend einer Mehrheit bedarf. Dem allem muss aber jeweils ein klarer Projektauftrag vorausgehen, was kein Widerspruch zum vorhergehenden Vortrag ist: auch beim Experiment im Labor muss man ein Ziel gesetzt haben, bevor man startet.
Virtuell zugeschaltet aus Berlin war als nächstes Dr. Joana Breidenbach, die Gründerin von ‘betterplace.org’ und ‘Das Dach von Berlin’. Aus der Untersuchung von Betterorg Lab an 26 Stellen der Welt, wie die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert hat, liessen sich 5 digitale Prinzipien ableiten: Dezentralisierung, Teilen und Kollaboration, Fliessen, Diversität und Teilhabe, sowie die KI-fizierung. Diese grossen Veränderungen sind eine regelrechte Zeitenwende und machen neue digitale Prinzipien in Führung und Zusammenarbeit nötig. Für Frau Dr. Breidenbach ist das aber nicht nur Theorie, sondern sie und ihr Team haben schon 2014 damit angefangen, die übliche Hierarchie von Chefin und Mitarbeitenden aufzulösen, was aber nicht Basisdemokratie bedeutet, sondern kompetenzbasiert funktioniert: Entscheidungen werden da getroffen, wo die meiste Kompetenz sitzt. Mit Freude und Engagement sollte nun alles besser laufen – tat es aber nicht. Wohl waren Strukturen und Prozesse geändert worden, aber mit dem Wegfall der Hierarchie ging auch das Sicherheitsgefühl bei den betroffenen Mitarbeitenden verloren. Und ohne eine sichere Basis und Orientierung konnten Freiheit und Selbstverantwortung nicht ausgelebt werden. Selbstreflexion, transparente Kommunikation und die Fähigkeit, das grosse Ganze zu sehen gehören zu einem Set von Kompetenzen, die erforderlich sind für die neue Art des Arbeitens. Wie der einzelne Mensch arbeiten will und wie das jeweilige Unternehmen arbeiten lässt, muss stimmig sein und so sind weder das holokratische noch das hierarchische Modell für jede Person gleichermassen geeignet. Aber wo Raum und Zeit für das Kompetenzwachstum gelassen werden und das Matching stimmig ist, kann ‘New Work’ gelingen.
Nach einem musikalischen Zwischenspiel mit Liedern von Georg Kreissler, vorgetragen und gespielt von Helmut Wiegiehser ging es ohne Taktgefühl weiter, denn «Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl» – so der Titel des Vortrags von Tobias Krafft von der Technischen Universität Kaiserslautern und einem der Gründer der Trusted AI GmbH. Zwei Ängste plagen die Menschen, wenn sie sich mit Künstlicher Intelligenz befassen: dichten und richten. Wird uns KI ersetzen, weil sie auch zutiefst Menschliches kann, nämlich Poesie und Kreativität? Und wird sie eigene Entscheidungen treffen und damit über uns richten? Nach einer kurzen und gut verständlichen Führung durch das ABC der Informatik und die Geschichte der KI von den ersten Expertensystemen bis zu den heutigen Sprachassistenten und Chatbots erklärte uns Herr Krafft, wie Computer lernen. Um selbst zu erleben, wie schwierig es ist, einen guten Algorithmus zu schaffen, durften wir mit Papier und Holzspiess «Bewerbungsroboter» spielen und über passende und unpassende Bewerbungen entscheiden, was nie ohne schädliche Nebenwirkungen gelang. Damit muss man aber nicht auf KI verzichten, wichtig ist, die Balance zwischen übersteigerter Erwartung und furchtgetriebener Ablehnung zu halten. Der goldene Mittelweg liegt nach Tobias Krafft im Einsammeln leichter KI-Gewinne, die in KI geschulte Expert:innnen aus dem Unternehmen und seinen Daten ermitteln können.
Zurück aus der Zukunft widmete sich Werner Kuratle der aktuellen Zeit und fragte, ob die Projektführung in der jetzigen Situation inspiriert oder aufgezwungen ist? Als Senior Portfolio Manager und Projektmanager Swisscom AG hat er hautnah erlebt, wie einige seiner Kunden ganz rasch entscheiden mussten, wie die Mitarbeitenden sofort vom Homeoffice ausarbeiten können, in das die Pandemie sie geschickt hatte. Für die Projektleitenden von Swisscom war das Führen dezentraler Teams, hohe Eigenverantwortung und unternehmerisches Denken in den grossen Outsourcing-Projekten bereits Alltag, in der unklaren Zeit der Pandemie strebten die Leute jedoch nach mehr Sicherheit und so nahm das schriftliche Rückfragen und Absichern enorm zu, wo zuvor das mündlich Abgemachte bereits genügt hatte. Auf der Kundenseite wollte man in Swisscom einen Partner für all die Herausforderungen, die die Pandemie mit sich brachte, während es vorher als reine Kunden-Lieferanten-Beziehung betrachtet wurde. Die betroffenen Menschen in den Teams waren der Unsicherheit ebenfalls auf allen Ebenen ausgesetzt: beruflich wie privat, finanziell im Homeoffice und bezüglich der Projektkosten. Vertrauen und Kompetenz, vor allem Kommunikations-kompetenz waren in diesen unsicheren Zeiten zentral, aber ob das alles aber neu ist und erst durch die Pandemie eintrat? Da machte Werner Kuratle eher ein grosses Fragezeichen – und die Zuhörenden durften sich ihre eigenen Gedanken machen…
Danach ging es hinaus in die weite Welt, die Projektmanagerin digitalswitzerland, Daniela Christen, liess uns an den Erfahrungen aus ihrem digitalen Nomadenexperiment teilnehmen, in dem die Welt als Alternative zum Homeoffice diente. Sie und ihr Partner bereisten als Freelancerin bzw. Teilzeitarbeitender 14 Länder in 15 Monaten. Wer nun denkt, digitales Nomadentum sei so etwas wie Dauerurlaub, liegt falsch – die Suche nach einem Arbeitsplatz, der zwar auch unkonventionell und klein sein kann, aber eben zwingend Internetanschluss voraussetzt, setzt dem freien Reisen Grenzen. Und wer hätte gedacht, dass Co-Working-Spaces in Südamerika leicht zu finden sind, während das Beschaffen eines mobilen Internetabos in Kanada teuer und mühsam sein kann? Dass aber auch nicht alles Arbeit ist und man Urlaub fest einplanen sollte, gehört auch zu den Erkenntnissen der ehemaligen Nomadin. Und zu den praktischen Tipps gehören eine gute Reiseversicherung und die Mitnahme einer Steckleiste. Und spätestens seit der Homeoffice-Zeit während der Pandemie wurde für viele erlebbar, dass office- und damit ortsunabhängiges Arbeiten in sehr vielen Fällen gut möglich ist.
Zum Schluss ging es um die Königsdisziplin – das Führen von virtuellen Teams. Barbara Liebermeister, die Gründerin und Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), vergleicht Führungskräfte – ob von Projektteams, hierarchisch oder holokratisch – mit Influencern: wollen nicht beide Menschen um sich scharen und beeinflussen? Wie man digitale Meetings so menschlich und natürlich wie möglich macht, führte sie direkt selbst vor, indem sie stehend und mit Gestik, Mimik und abwechslungsreicher Vortragsweise uns Zuhörenden viele Daten und Signale sendete, um trotz digitaler Einschränkungen zwischenmenschliche Begegnung zu ermöglichen. Als Lehren aus der Forschung konnten wir mitnehmen, dass das Gehirn 3 mal pro Tag 90 Minuten am Stück digital arbeiten kann – also heisst es, Pausen einbauen! Dass eine Arbeitsgruppe nicht dasselbe wie ein Team ist, haben wir alle wohl schon erlebt, aber was macht ein Team erfolgreich, auch im virtuellen Raum? Da braucht es vor allem Identifikation und psychologische Sicherheit, aus Basis derer man alles sagen kann, was man will, ohne von den anderen Mitgliedern bewertet oder gar ausgegrenzt zu werden. Ein Teambild oder ‑logo fördert die Identifikation und statt reinem Abarbeiten der Agenda im virtuellen Meeting sollte besser der Kreativität viel Raum gegeben werden. Auch in länger bestehenden Teams findet sich leicht ein Anlass für einen Kick-off, bei dem Beziehungen gepflegt werden und wir erfahren, wie es den Menschen wirklich geht. Denn der Mensch ist kein digitales Wesen, sondern ein Neandertaler mit einem digitalen Gerät – wir brauchen die zwischenmenschliche Interaktion.
Margarete Nuber
